Der Nördliche Raubwürger (Lanius excubitor), häufig auch Grauwürger genannt, ist eine etwa amselgroße Vogelart aus der Familie der Würger. Die Art besiedelt die gemäßigten, borealen und subarktischen Zonen der Holarktis; sie kommt außerdem in einigen Steppen- und Hochgebirgsgebieten Zentralasiens vor. Die heute Südlicher Raubwürger oder Mittelmeerraubwürger (Lanius meridionalis) genannte Art galt lange als Unterart von Lanius excubitor. Vor allem der Umstand, dass die beiden sehr nahe verwandten Arten dort, wo sie sympatrisch vorkommen, deutlich verschiedene Habitatansprüche haben und offenbar nicht hybridisieren, untermauert neben Unterschieden in der Gefiederfärbung ihre systematische Trennung. Der Nördliche Raubwürger ist ein gut amselgroßer, überwiegend grau wirkender, langschwänziger Vogel mit deutlichen schwarzen und – von Unterart zu Unterart unterschiedlich ausgeprägten – weißen Gefiederpartien. Charakteristisch ist der graue Rumpf, wobei die Oberseite immer erheblich dunkler gefärbt ist als der Brust- und Bauchbereich, der bei einigen Unterarten fast weiß sein kann. Von der Basis des kräftigen, dunklen Hakenschnabels ausgehend, zieht sich ein reinschwarzes schmales Band über die Augen bis zu den Ohrdecken, wo es sich leicht verbreitert. Die Stirn wird von dieser Maske jedoch nicht erreicht. Bei den meisten Unterarten ist diese Gesichtsmaske von einem schmalen weißen Brauenstreif begrenzt. Die relativ breiten und runden Flügel sind schwarz. Beim sitzenden Vogel erscheint immer ein kleines, reinweißes Flügelfeld, bei einigen Unterarten zwei. Scharf kontrastieren die schwarzen Flügel mit einem hellen, manchmal reinweißen Gefiedersaum im Schulterbereich. Die Armschwingen sind immer deutlich reinweiß gesäumt. Der lange Schwanz ist abgerundet oder gestuft; er ist kontrastreich schwarz-weiß gefärbt, wobei die inneren Steuerfedern schwarz, die äußeren weiß sind; von unten wirkt der Schwanz fast reinweiß. Im Flug wirkt der Nördliche Raubwürger grau-schwarz-weiß. Charakteristisch in der Oberansicht sind das breite weiße Flügelfeld auf schwarzem Flügelgrund, die weiße Umsäumung der Armschwingen sowie der lange, meist abgerundete, weiß gesäumte, schwarze Schwanz. Die Geschlechter unterscheiden sich in der Größe nicht und in ihrer Färbung nur unwesentlich. Weibchen sind meist geringfügig weniger kontrastreich gezeichnet, häufig ist eine leichte Sperberung im Brust-, Flanken- und Nackenbereich erkennbar. Die weißen Gefiederanteile der Flügel und des Schwanzes sind beim Weibchen kleiner als beim Männchen und weniger scharf von den schwarzen abgesetzt. Die bei den Männchen tiefschwarzen Gefiederbereiche können bei den Weibchen ein sehr dunkles Braun aufweisen. Die Sperberung juveniler Individuen vor allem im Hals-, Brust-, Flanken- und Nackenbereich ist deutlich, aber nicht so markant wie bei einigen anderen Würgerarten; die Handschwingen der Jungvögel sind breiter weiß eingefasst, und der Schnabel ist nicht schwarz, sondern mittelbraun; am Unterschnabel weist er helle Ockertöne auf. Der Flug von Ansitz zu Ansitz verläuft bogenförmig und erinnert etwas an einen Spechtflug. Kurz vor dem Erreichen der neuen Ansitzwarte steilt der Vogel markant auf. Der kräftige und sehr schnelle Distanzflug dagegen ist geradlinig. Der Nördliche Raubwürger segelt kurze Strecken und rüttelt häufig. Im Flug sind die weißen Flügelabzeichen, der schmale weiße Schulterbereich sowie die schwarz-weiße Schwanzfärbung gute Identifizierungsmerkmale. Unterarten: Die Unterarten unterscheiden sich sowohl in ihrer Größe als auch in der Färbung des Gefieders, insbesondere in der Ausdehnung der Weißzeichnungen auf den Flügeln und am Schwanz sowie im Vorhandensein oder Fehlen einer Wellenzeichnung auf Brust und Bauch. 1. L.e. excubitor (mit den nicht allgemein anerkannten Unterarten L. e. galliae und der dunklen Form L.e. melanopterus, bei der es sich möglicherweise um eine Hybridform zwischen L. e. excubitor und L. e. sibiricus handelt): Das Vorkommen dieser Unterart erstreckt sich über West-, Mittel- und Nordeuropa bis in den nördlichen Teil Westsibiriens. 2. L. e. homeyeri: Südosteuropa, Transkaukasien bis zum mittleren Westsibirien. Sie ist heller als die Nominatform mit ausgedehnteren Weißzeichnungen im Flügel. 3. L. e. leucopterus: Südwestsibirien. Sehr hell, mit reinweißer Kehle und großem weißen Flügelfeld. Die Vertreter dieser westlichen Unterartengruppe werden von Westen nach Osten hin heller, die Flügellänge nimmt etwas zu, und die weißen Flügelabzeichen werden größer. Brust- und Bauch weisen keine Wellenzeichnung auf und sind meist schmutzigweiß. Auf der Oberseite sind diese Unterarten in unterschiedlicher Intensität grau gefärbt. Eine Ausnahme bildet die sehr dunkle hochnordische Unterart L. e. melanopterus. Sie erscheint im Winter ebenso wie L. e. homeyeri gelegentlich in Mitteleuropa. Die Vertreter der östlichen Unterartengruppe sind zum Teil deutlich größer, zudem dunkler gefärbt als die Mitglieder der Westgruppe. Auf der Oberseite weisen sie Brauntöne auf, Brust und Bauch sind oft deutlich gesperbert. Beim sitzenden Vogel ist nur ein weißes Flügelfeld zu erkennen. 4. L. e. sibiricus: Diese Unterart kommt in Ostsibirien und der Nordmongolei vor. Ihr Gefieder weist auf der Oberseite deutliche Brauntöne auf, die Unterseite ist auf grauweißem Grund dunkelbraun gebändert. Diese Bänderung wird bei den beiden folgenden Unterarten dunkler und nimmt an Deutlichkeit zu. 5. L. e. mollis: Vertreter dieser Subspecies brüten in den Vorbergen des russischen Altais sowie in der Nordwestmongolei. 6. L. e. funereus ist die größte Unterart und weist ein wenig kontrastreich gezeichnetes dunkles Gefieder auf. Ihre Unterseite wirkt blaugrau, die Bänderung ist schwarz. Die Unterart ist vor allem ein Hochgebirgsbewohner im Tianshan. 7. L. e. bianchii, eine Inselrasse, die auf einigen Inseln der südlichen Kurilen sowie auf Sachalin brütet, ist wieder deutlich kleiner als die zuvor genannten, deutlich heller und zeigt keine oder nur eine undeutliche Bänderung. 8. L. e. invictus: Westliches Nordamerika, von NordAlberta bis Nordalaska, möglicherweise auch im äußersten Nordosten Sibiriens. Sehr ähnlich der Unterart L. e. borealis, jedoch etwas größer und etwas heller. 9. L. e. borealis: Nordöstliches Nordamerika, vor allem Nordquébec und Nordontario. Diese Unterart ähnelt stark der Nominatform, die Unterseite ist jedoch hellgrau (nicht schmutzigweiß) und weist eine leicht wellenförmige Bänderung auf. Ähnliche Arten: In seinem großen Verbreitungsgebiet kann der Nördliche Raubwürger leicht mit einigen nah verwandten Grauwürgern verwechselt werden. Für Verwechslungen kommen in Südwest- und Südeuropa vor allem die Nominatform des Mittelmeerraubwürgers (Lanius meridionalis meridionalis) sowie der Schwarzstirnwürger (Lanius minor) in Frage; in Mittelasien überlappen sich die Brutgebiete des Wüstenraubwürgers (Lanius meridionalis pallidirostris) mit den Überwinterungsgebieten einiger Unterarten des Nördlichen Raubwürgers, und in Ostasien grenzen die Brutgebiete der sehr großen Rasse L. e. mollis an die des Keilschwanzwürgers (Lanius sphenocercus). In der Nearktis besteht während der Wintermonate eine nicht unbeträchtliche Verwechslungsgefahr vor allem der Unterart L. e. borealis mit dem Louisianawürger (Lanius ludovicianus), der dem Schwarzstirnwürger sehr ähnlich ist. Vom Südlichen Raubwürger unterscheiden sich die Unterarten des Nördlichen Raubwürgers vor allem durch den etwas kürzeren und weniger robust wirkenden Schnabel, die längeren Flügel und die etwas kürzeren Beine. Die Nominatformen sind auf Grund ihrer unterschiedlichen Gefiederfärbung gut zu unterscheiden: Der Südliche Raubwürger ist auf der Oberseite bleigrau (nicht schiefergrau wie L. e. excubitor), weist nur ein kleines weißes Flügelfeld auf (L. e. excubitor zwei), und seine Unterseite ist im Gegensatz zum Nördlichen Raubwürger deutlich rosa überhaucht. Vom Schwarzstirnwürger und Louisianawürger unterscheidet sich der Nördliche Raubwürger vor allem deutlich in der Größe. Die beiden genannten Arten sind um 15–20 % kleiner. Beim Schwarzstirnwürger ist die Gesichtsmaske wesentlich breiter und bedeckt markant den unteren Stirnbereich. Beim Louisianawürger ähnelt die Breite der Gesichtsmaske jener der Unterart L. e. borealis, doch ist auch bei diesem Würger ein schmaler Bereich über dem Schnabelansatz schwarz eingefasst. Zudem fehlt die weiße obere Begrenzung der Gesichtsmaske beim Louisianawürger völlig. Der Keilschwanzwürger, der in Ostasien für Verwechslungen in Frage kommt, kann in der Gefiederfärbung der Rasse L. e. sibiricus sehr ähneln, doch ist er wesentlich größer und auffallend langschwänziger. Der Gesang des Nördlichen Raubwürgers, bei dem beide Geschlechter singen, besteht aus kurzen, wohltönend-flötend klingenden Strophen, die sehr variabel sind und in die häufig Elemente anderer Vogelgesänge und Rufe eingebettet werden. Meist beginnt der Gesang mit trrr- oder prrrr-Lautreihen, die später in relativ leise, auf der zweiten Silbe betonte tü-lick…prü-ii Elemente übergehen, die als eigentliche Kontaktrufe gedeutet werden. Dieser Gesang wird von exponierten Warten aus vorgetragen und ist von auffälligen Körperposen begleitet. Auch die Rufe sind sehr vielfältig. Am häufigsten ist der Wächterpfiff, ein scharfer Triller, der vor allem bei der Sichtung eines Flugfeindes zu hören ist. Daneben verfügt der Raubwürger über eine Vielfalt oft rau und heiser klingender Lautäußerungen. In Bedrohungs- oder aggressiv gestimmten Situationen sind aus der Nähe Instrumentallaute, wie Schnabelknappen, zu vernehmen. Allen Bruthabitaten des Nördlichen Raubwürgers gemeinsam sind eine sehr gute Rundumsicht, ein lockerer Baum- und Buschbestand, ein weitgehend niedriger Bodenbewuchs und oft dichterstehende Baumgruppen im Nestbereich. Die Artverteilung der Baum- und Buschbestände scheint keine besondere Rolle zu spielen. Solche Habitatstrukturen findet der Nördliche Raubwürger in halboffenen Landschaften mit locker stehenden Bäumen und Büschen, ebenso in Streuobstwiesen, Randgebieten von Mooren, Waldrändern, die an geeignete Habitate grenzen, zuweilen in ausgedehnten Windbruch- oder brandgeschädigten Nadelwaldgebieten sowie in großen Wiederaufforstungen. Sekundärlebensräume, wie Truppenübungsplätze oder aufgelassene Tagbaugebiete spielen vor allem in Zentraleuropa eine Rolle. Der Bodenbewuchs in den Bruthabitaten muss weitflächig schütter und niedrig sein, um energiesparende und erfolgreiche Jagden zu ermöglichen. Häufig liegen Reviere des Nördlichen Raubwürgers topographisch etwas exponiert auf Kuppen und Kämmen, wobei der Sichtkontakt zu Nachbarrevieren eine Rolle spielen könnte. Brut- und Winterhabitate des Nördlichen Raubwürgers sind nicht identisch. Nach der Brutzeit verlassen auch die Standvögel unter den Nördlichen Raubwürgern ihre Brutreviere und siedeln kleinräumig in offenere, stärker durch Strauch- als durch Baumstrukturen geprägte Landschaften um. Auch stärker landwirtschaftlich genutzte Gebiete können von der Art im Winter genutzt werden. Geschlossene Waldgebiete, enge Täler, intensiv genutzte Agrargebiete sowie Landschaften mit zu geringem Bestand an Bäumen, Hecken und Büschen sind als Bruthabitat nicht geeignet. Die Reviergrößen hängen stark mit dem Nahrungsangebot zusammen. In Mitteleuropa wurden durchschnittliche Brutreviergrößen von etwa 40 Hektar ermittelt, in manchen Teilen Weißrusslands, wo der Raubwürger vor allem am Rande von Nadelwäldern brütet, wurden bis zu 10 Reviere innerhalb eines Quadratkilometers festgestellt. Fotografiert zwischen Hassloch und Geinsheim - Rheinland Pfalz Weitere Infos in der Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nördlicher_Raubwürger