Der Gänsegeier (Gyps fulvus) ist ein großer Vertreter der Altweltgeier (Aegypiinae), er ist durch seine Größe und die deutlich zweifarbigen Flügel in Europa kaum zu verwechseln. Das stark zersplitterte Verbreitungsgebiet umfasst große Teile der südwestlichen Paläarktis, nach Norden reicht das Areal bis in das südliche Mitteleuropa. Die Tiere ernähren sich zumindest in Europa fast ausschließlich von Aas größerer Nutztiere. Gänsegeier brüten in Kolonien in Felsen. Altvögel sind überwiegend Standvögel, juvenile und immature Gänsegeier sind Teilzieher und verbringen den Sommer meist abseits der Brutplätze in Gebieten mit reichem Nahrungsangebot. Die Art übersommert seit langer Zeit regelmäßig in den Alpen und fliegt wohl vor allem bedingt durch eine starke Bestandszunahme in Südwesteuropa in den letzten Jahren im Sommer verstärkt auch in das nördliche Mitteleuropa ein. Der Gänsegeier zählt zu den großen Altweltgeiern. Die Körperlänge beträgt 93 bis 110 cm, die Spannweite 234 bis 269 cm. Die Tiere wiegen 6,2 bis 11,3 kg. Die Art zeigt keinen Geschlechtsdimorphismus bezüglich Färbung, Größe oder Gewicht. Drei in Italien und Salzburg erlegte Männchen wogen 6,2 bis 8,5 kg, fünf Weibchen 6,5 bis 8,3 kg, im Mittel 7,48 kg. Männchen aus Europa hatten Flügellängen von 684–735 mm, im Mittel 708,7 mm, Weibchen aus demselben Raum 690 bis 750 mm, im Mittel 707,7 mm. Dieser Geier ist deutlich zweifarbig. Rumpf, Beinbefiederung sowie die kleinen und mittleren Unter- und Oberflügeldecken sind bei adulten Vögeln blass braun bis hell rotbraun mit vor allem auf der Unterseite ausgeprägten hellbeigen Stricheln. Damit deutlich kontrastierend sind die Schwingen und die Steuerfedern fast einfarbig schwarzgrau. Die großen Oberflügeldecken und die Schirmfedern sind schwarzbraun und breit hellbraun gerandet, die hellbraunen Ränder bilden auf dem Oberflügel ein deutliches helles Band. Kopf und Hals sind dicht weiß bedunt, an Oberkopf und unterem Vorderhals oft mehr cremefarben. Die lockere, dicht flaumige Halskrause ist weiß. Der kräftige Schnabel ist gelblich hornfarben bis grüngelb und an der Basis blassgrau. Die Wachshaut sowie die unbefiederten Teile der Beine und die Zehen sind grau. Im Jugendkleid besteht die Halskrause aus schmal lanzettlichen, hellbraunen Federn. Der helle Rand der großen Oberflügeldecken ist nur undeutlich ausgebildet, so dass das helle Band auf den Oberflügeln nur sehr schwach ausgeprägt ist. Der Schnabel ist dunkel hornfarben. Gänsegeier sind im Alter von 6 bis 7 Jahren ausgefärbt. Im Flug ist die Art in Europa durch die deutlich zweifarbigen Flügel, den dunklen, kurzen, gerundeten oder leicht keilförmigen Schwanz und den wenig auffallenden kleinen Kopf mit eingezogenem Hals kaum zu verwechseln. Die Vögel wirken auch im Flug sehr groß, diese Größe wird durch die gelegentlichen, sehr langsamen Flügelschläge noch betont. Beim Kreisen werden die Flügel ähnlich wie beim Steinadler leicht nach oben gehalten. Die Handschwingen sind tief gefingert. Die Armschwingen sind häufig länger als die inneren Handschwingen, so dass der Flügelhinterrand geschwungen ist und nicht gerade. In den Kolonien und am Aas ist die Art recht stimmfreudig. Bei Auseinandersetzungen mit Artgenossen geben die Tiere rätschende oder heiser keckernde Rufe wie „tetetet“ oder „gegegeg“ von sich, zischen oder fauchen. Bei direkten Attacken rufen ranghohe Vögel harsch gänseartig „kak-kak“, rangniedere Vögel reagieren mit schluchzenden oder glucksenden Lauten. Der von kleinen Jungvögeln beim Betteln genutzte Ruf ist ein glucksendes Piepen, größere Nestlinge rufen gereiht „gagaga“. Das stark zersplitterte Verbreitungsgebiet umfasst große Teile der südwestlichen Paläarktis, nach Norden reicht das Areal bis in das südliche Mitteleuropa. Der Gänsegeier kommt in Marokko und Algerien und in Europa auf der Iberischen Halbinsel, Sardinien, in Südfrankreich und nach Osten in weiten Teilen des Balkans vor. Weiterhin sind Teile der Arabischen Halbinsel besiedelt. Über die Verbreitung in Asien gibt es in der Literatur zum Teil widersprüchliche Angaben. Nach Ferguson-Lees & Christie erstreckt sich das Areal über den Nahen und Mittleren Osten und dann unter Aussparung der zentralasiatischen Hochgebirge nach Nordosten bis in den Südosten Kasachstans und nach Südosten über den Iran und Afghanistan über Pakistan und den Norden Indiens bis in das Flachland Nepals, möglicherweise auch noch bis Bhutan. Als unsicher und wahrscheinlich nur herumstreifende Gäste betreffend bezeichnen die Autoren das Vorkommen in Assam. Nach Glutz von Blotzheim und Bauer reicht das Areal der Art im Nordosten bis in den Nordwesten der Mongolei und im Südosten nur bis in den Südwesten Pakistans und in den nordindischen Bundesstaat Jammu und Kashmir. Zur Brut und zur Rast werden senkrechte oder steile Felsklippen, Schluchten und ähnlich nutzbare Felsformationen benutzt, sehr gerne mit Überhängen. Die Nahrungssuche findet über einem weiten Spektrum überwiegend offener und trockener Landschaften statt, dazu zählen Steppen, Halbwüsten, Berghänge und Hochplateaus, aber auch landwirtschaftliche Flächen der Ebene. Die Art kommt in Höhen von 0 bis 3000 m vor; Nahrung suchende Gänsegeier wurden auch bis in 3500 m Höhe beobachtet. Man unterscheidet neben der Nominatform eine weitere Unterart, Gyps fulvus fulvescens, die nach Ferguson-Lees & Christie in Ostpakistan, Nordindien und Nepal vorkommt und deren Gefieder blasser, aber insgesamt mehr rötlich als das der Nominatform ist. Nach einer molekulargenetischen Untersuchung ist diese Unterart jedoch näher mit dem Schneegeier als mit der Nominatform des Gänsegeiers verwandt und wäre daher zu dieser Art zu stellen. Nächster Verwandter und damit Schwestertaxon des Gänsegeiers ist nach dieser Untersuchung der im mittleren Afrika verbreitete Sperbergeier. Gänsegeier suchen wie viele Vertreter der Gattung Gyps nach Nahrung, indem sie einzeln ausdauernd über der offenen Landschaft kreisen. Die Tiere fliegen morgens gemeinsam aus der Kolonie ab und entfernen sich dann bis zu 60 km von der Kolonie. Die Geier suchen direkt nach Aas auf dem Boden, aber auch indirekt durch die Beobachtung bodenlebender Raubtiere und vor allem durch die Beobachtung anderer aasfressender Vögel im Luftraum. Auf diese Weise sammeln sich an einem einmal entdeckten Kadaver immer mehr Geier, die jeweils das Niedergehen ihrer Artgenossen beobachtet haben. Die Nahrung besteht ausschließlich aus frischem oder bereits verwesendem Aas, dabei werden vor allem die inneren Organe und der Mageninhalt sowie das Muskelfleisch von mittelgroßen bis großen Säugetieren gefressen. Zumindest in Europa verwerten Gänsegeier heute praktisch ausschließlich tote Haustiere; von Schafen und Ziegen bis hin zu Rindern und Pferden. Seltener werden auch kleinere Kadaver z. B. von Rehen, Hunden, Hasen, Füchsen und ähnlichen Tieren genutzt. Am Aas müssen Gänsegeier größeren Raubtieren wie Wolf und Schakal sowie dem Mönchsgeier den Vortritt lassen, gegenüber allen andern Aasfressern ist die Art dominant. Innerhalb der am Aas anwesenden Geier bildet sich ebenfalls bald eine Rangordnung aus. Das ranghöchste Tier zeigt dann einen Drohmarsch, bei dem es in aufrechter Haltung mit einem ausgeprägtem Stechschritt zum Kadaver läuft und hält damit alle Artgenossen vorerst auf Distanz. Bei noch geschlossenem Tierkörper reißt es dann meist erst die Bauchdecke auf, um mit dem langen Hals die inneren Organe zu erreichen. Oft werden hierzu aber auch natürliche Körperöffnungen erweitert, vor allem die Analöffnung. Wenn das ranghöchste Tier mit dem Kopf im Kadaver frisst, kommen auch die rangniederen Tiere zum Kadaver, der dann bald von einer Masse fressender Geier bedeckt ist. Die Tiere fressen gelegentlich so viel, dass sie Teile der Nahrung wieder herauswürgen müssen, um abfliegen zu können. Gänsegeier sind sehr gesellig und brüten meist in Kolonien, die mehr als 100 Brutpaare umfassen können. Die Paare verteidigen gegen Artgenossen nur den unmittelbaren Nestbereich. Die Balz besteht aus gemeinsamem Kreisen und „Tandemflügen“, bei denen ein Partner jede Flugbewegung des anderen Vogels kopiert. Gelegentlich nimmt das Männchen etwas Nistmaterial in den Schnabel und folgt dann während einiger Minuten dem Weibchen in der Luft. Die Nester werden in Felswänden auf Bändern unter Überhängen oder in nach vorn offenen Nischen und Höhlen gebaut. Sie bestehen aus Stöckchen und Zweigen und werden mit grünen Zweigen oder Gras ausgelegt. Der Legebeginn fällt im gesamten Verbreitungsgebiet recht einheitlich in den Zeitraum Ende Dezember bis Ende März. Das Gelege besteht nur aus einem Ei, das meist reinweiß ist oder selten kleine rotbraune Flecken aufweist. Eier aus Spanien messen im Mittel 92,0 × 70,1 mm, Eier vom Balkan sind annähernd gleich groß. Beide Partner brüten, die Brutzeit dauert 47 bis 57 Tage. Das Junge wird auch abwechselnd von beiden Partnern mit Nahrung versorgt, die im Kropf zum Nest gebracht und dort ausgewürgt wird. Der Jungvogel verlässt das Nest im Mittel nach etwa 135 Tagen, in Südeuropa etwa Mitte Juli bis Mitte August. Er wird noch einige Wochen von den Elternvögeln versorgt und wandert dann ab. Die Abwanderung erfolgt ungerichtet. Das Zugverhalten ist offenbar komplex und in vielen Bereichen noch unerforscht. Adulte Gänsegeier sind überwiegend Standvögel, während Jungvögel und immature Vögel in offenbar je nach Population stark variierenden Anteilen Langstrecken- oder Kurzstreckenzieher bzw. Strichvögel sind. Einige Tausend überwiegend junge und immature Tiere ziehen im Herbst über Gibraltar und den Bosporus nach Afrika, das Winterareal reicht dort südwärts bis Senegal, Mali und Niger, sowie im Osten bis in den Sudan und Äthiopien. Die Vögel übersommern in den ersten Jahren überwiegend abseits des Geburtsortes, in dieser Zeit werden jedoch andere Kolonien zum Teil weit entfernt vom Geburtsort aufgesucht, wo die Vögel oft einige Tage verbringen. Sie kehren meist wohl erst mit der Geschlechtsreife in die Kolonien in der Umgebung ihres Geburtsortes zurück. In den Jahren 1997 bis 2000 zogen zwischen 1600 und 4600 junge Gänsegeier im Herbst über Gibraltar nach Afrika, der Wegzug erfolgt dort Mitte Oktober bis Mitte November. Demnach blieben zwischen 67 und 89 % der spanischen Jungvögel im Land. Die Tiere überwintern vor allem im Süden Spaniens und halten sich dort in der Umgebung attraktiver Nahrungsquellen auf. Fotografiert im Wildpark Bad Mergentheim - Danke an Claus Börner Weitere Informationen in der Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gänsegeier