Der Kleinspecht (Dendrocopos minor) ist eine Vogelart aus der Gattung der Buntspechte (Dendrocopos). Diese gehören zur Unterfamilie der Echten Spechte in der Familie der Spechte (Picidae). Die Art zählt mit einer Körperlänge von rund 15 cm zu den kleinsten Echten Spechten. Sie ist in 11 Unterarten über die gesamte westliche und nördliche Paläarktis bis an die asiatische Pazifikküste verbreitet. In Mitteleuropa ist der Kleinspecht ein verbreiteter, aber nicht häufiger Brutvogel. Wie viele kleine Spechte sucht der Kleinspecht seine Nahrung vor allem im äußeren Astbereich der Baumkronen und ist daher nur schwer festzustellen. Von einigen Autoren wird er gemeinsam mit drei in Nordamerika vorkommenden Kleinspechten der Gattung Dryobates zugerechnet. Der Kleinspecht ist ein typischer Vertreter der Buntspechte mit schwarz-weiß kontrastierendem Gefieder, trotzdem ist er in der West- und Zentralpaläarktis auf Grund seiner Kleinheit unverwechselbar. Obwohl nur etwa gimpelgroß, wirkt der kompakte, kurzhalsige und kurzschwänzige, rundliche Vogel wuchtiger und größer. Der Kleinspecht ist der einzige europäische und westasiatische Buntspecht, der keine Rot- oder Rosazeichnung in der Steißgegend und an den Unterschwanzdecken aufweist. Auch die sonst bei allen Buntspechten, außer dem Weißrückenspecht, auffälligen weißen Schulterflecken fehlen beim Kleinspecht. In der Rückenansicht erinnert er an den Weißrückenspecht, von dem er sich aber ebenfalls durch seine Kleinheit deutlich unterscheidet. Männchen der in Mitteleuropa heimischen Unterart D. m. hortorum tragen eine ziegelrote, schwarz gerandete Kappe. Das weiße, zuweilen leicht cremegelbe Gesicht ist von einem deutlichen schwarzen Zügel, einem Bartstreif und einem Wangenstreif gesäumt; letzterer verbindet sich aber nicht mit dem schwarzen Nackenband. Die Stirn ist weiß, der für die Körpergröße des Spechtes mit bis zu 18 Millimetern recht lange Schnabel ist schiefergrau. Die Schultern sind schwarz, der Rücken ist weiß und weist eine leiterartige, schwarze Bänderung auf. Die Verteilung der Weiß- und Schwarzanteile des Rückens stellt eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen den Unterarten dar. Die Oberseite der Hand- und Armschwingen ist auf schwarzem Grund deutlich weiß gebändert. Der zusammengelegte Schwanz ist auf der Oberseite schwarz, auf der Unterseite weiß, mit schwarzer Bänderung. Die beiden äußersten Steuerfedern sind weiß und tragen deutliche schwarze Abzeichen. Die Unterseite dieser Unterart ist sehr hell, fast weiß; nur die Brust zeigt einen leicht gelblichen Farbton. Die Flanken sind deutlich schwarz längsgestrichelt. Die Geschlechter unterscheiden sich im Gewicht nicht, in der Farbzeichnung nur durch die Färbung des Scheitels, der beim Weibchen einheitlich schwarz ist. Die isabellfarbene Zeichnung über dem Schnabelansatz reicht beim Weibchen bis zum Vorderscheitel, bei der Nominatform und der in Mitteleuropa verbreiteten Rasse D. m. hortorum bis zur Mitte des Oberschädels. Das Jugendgefieder ähnelt dem Weibchengefieder, ist aber blasser. Die Länge des Kleinspechtes variiert zwischen den Unterarten: Die Unterart D. m. kamtschatkensis ist mit bis zu 16 Zentimetern die größte, D. m. quadrifasciatus mit knapp 14 Zentimetern die kleinste. Die Spannweite liegt zwischen 24 und 28 Zentimetern. Das Gewicht beider Geschlechter schwankt zwischen 20 und 25 Gramm. Der älteste Ringvogel in Mitteleuropa war ein mind. 10-jähriges Weibchen in Schweden. Zudem wurde in der Schweiz ein 7 Jahre und 3 Monate altes Exemplar gefunden. Ein im Geburtsjahr beringter Vogel wurde nach etwa sechs Jahren 60 Kilometer von Beringungsort entfernt wiedergefunden. In Europa, West-, Südwest- und in Zentralasien bestehen keine Verwechslungsmöglichkeiten. Lediglich im äußersten Ostasien überlappt das Verbreitungsgebiet des Kleinspechtes mit zwei ähnlich großen Buntspechten, dem Kizukispecht (Dendrocopos kizuki) und dem Grauscheitelspecht (Dendrocopos canicapillus). Der erstere hat bei sonst ähnlichem Aussehen deutlich braune Ohrdecken und eine braune Brust, letzterer unterscheidet sich durch einen deutlich grauen Scheitel und braune Gesichtszeichnungen vom Kleinspecht. Beide Geschlechter des Kleinspechtes trommeln. Dieser Instrumentallaut dient vor allem im Spätwinter und im zeitigen Frühjahr der Revierabgrenzung. Meist dienen dürre Äste als Resonanzkörper, gelegentlich aber auch Metallabdeckungen von Telegraphenmasten oder Fernsehantennen. Die leisen, hohen, sehr schnellen und gleichmäßigen Trommelwirbel bestehen aus bis zu 30 Schlägen und dauern fast 2 Sekunden. Bis zu 15 Wirbel können in einer Minute erfolgen. Das Trommeln der Weibchen ist etwas langsamer und kürzer; die Abstände zwischen den Wirbeln sind größer. Der Kleinspecht ist abhängig von seinem Vorkommen Standvogel, Strichvogel oder Zugvogel. Nordische Populationen ziehen regelmäßig nach Süden; so überwintern viele schwedische und norwegische Kleinspechte auf Jütland und in Norddeutschland. Gelegentlich kommt es, meist parallel zu Buntspechtinvasionen, zu starken Einflügen nordischer Kleinspechte nach Mitteleuropa; die letzte große Invasion fand im Winter 1962/1963 statt, als einige Kleinspechte der Nominatform auch am Randecker Maar festgestellt wurden. In Mitteleuropa sind die Vögel der Unterart D. m. hortorum weitgehend Standvögel. Das Jugenddispersal ist wenig erforscht, Ansiedlungen in Distanzen von mehr als 20 Kilometern vom Geburtsort scheinen jedoch häufig vorzukommen. Die Nahrung des Kleinspechtes besteht fast während des gesamten Jahres aus kleinen baumbewohnenden Insekten. Im späten Frühjahr und Sommer können verschiedene Arten der Blattläuse zur Hauptnahrung werden, daneben werden kleine Schmetterlingsraupen, Käfer und Käferlarven, Nachtfalter und deren Larven sowie in geringerem Maße auch Schnecken, zum Beispiel Schüsselschnecken, verzehrt. Auch für die Jungenaufzucht sind Blattläuse die wichtigsten Beutetiere. Baumbewohnende Ameisen, insbesondere die Glänzendschwarze Holzameise oder die Fremde Wegameise, spielen in den nördlichen Populationen nur eine geringe Rolle, können aber für einige südliche Unterarten einen wichtigen Nahrungsbestandteil bilden. Große Rossameisen und ihre Entwicklungsstadien werden nur dann gefressen, wenn deren Nester zuvor von einer anderen Spechtart geöffnet wurden. Gelegentlich werden auch Gallen, vornehmlich die der Gemeinen Eichengallwespe und der Gemeinen Rosengallwespe, aufgehackt und die Larven gefressen. Im Spätherbst und Winter besteht die Hauptnahrung aus Käfern, vornehmlich Bockkäfern, Rüsselkäfern und Borkenkäfern, die unter der Rinde oder auf Blättern überwintern. Auch holzbewohnende Larven werden im Winter verzehrt. Dabei stehen solche Arten im Vordergrund, die zuerst unter der Rinde leben und sich erst später einbohren, wie die des Blauen Scheibenbocks. Pflanzliche Nahrung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Im Frühjahr werden Baumsäfte, die aus Ringelstellen anderer Spechte oder aus Rindenverletzungen austreten, ausgebeutet. Gelegentlich wurden Kleinspechte bei der Aufnahme verschiedener Beeren oder beim Picken an reifen Früchten beobachtet. Koniferensamen scheinen nur bei den nördlichen Rassen eine gewisse Rolle zu spielen. Im Winter erscheinen Kleinspechte vereinzelt an Futterhäuschen, wo sie insbesondere das Fett von Meisenkugeln und Sonnenblumensamen verzehren.